Die Päpste und ihr Ringen um den Frieden

Von Martin Grünewald

Als am 24. Februar 2022 die russische Armee die Ukraine militärisch angreift, reagiert Papst Franziskus sofort: Bereits am darauffolgenden Tag besucht er die russische Botschaft am Heiligen Stuhl. Der Papst schweigt zunächst diplomatisch, aber die russische Seite erklärt, der Papst habe sich „sehr besorgt über die Situation der gesamten Bevölkerung“ gezeigt und dazu aufgerufen, die Menschen zu verschonen. Nachdem alle diplomatischen Bemühungen erfolglos sind, äußert sich Papst Franziskus auch öffentlich. „Krieg ist ein Versagen der Politik und der Menschheit, eine beschämende Kapitulation, eine Niederlage gegenüber den Mächten des Bösen.“ Vor rund 25.000 Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom sagt Franziskus: „In Gottes Namen, ich bitte euch: Stoppt dieses Massaker!“ Für den Aschermittwoch ruft er weltweit zum Fasten und Beten für den Frieden auf.

Johannes Paul II. und die Befreiung des Ostblocks

Das Engagement der Päpste für den Frieden hat Tradition. Eine besonders herausragende Bedeutung hat das Wirken von Johannes Paul II. für den Fall des „Eisernen Vorhangs“, genauer für die Befreiung des Ostblocks vom diktatorischen Kommunismus. Zwei Jahre nach der Wahl des polnischen Papstes streiken am 14. August 1980 in Danzig die Werftarbeiter. 80.000 Menschen in 300 Betrieben entlang der Ostseeküste treten in den Ausstand. An das Werkstor heften die Arbeiter ein Bild der Madonna von Tschenstochau und ein Porträt des polnischen Papstes Johannes Paul II. Am 31. August unterzeichnen der stellvertretende Ministerpräsident Jagielski und Arbeiterführer Lech Walesa gemeinsam ein Abkommen, in dem die polnische Regierung alle Forderungen der Arbeiter anerkennt. Gut zwei Wochen später wird Solidarnosc, die erste freie und unabhängige Gewerkschaft in einem kommunistischen Land, gegründet. Die Freiheitsbewegung in Polen hat sich damit manifestiert. Wie kam es zu dieser Entwicklung? Ein gutes halbes Jahr nach seiner Wahl zum Papst am 16. Oktober 1978 besucht Karol Wojtyla seine Heimat Polen. Bis zu zehn Millionen Gläubige begleiten seine neuntägige Pilgerreise. Sie hören als Hauptbotschaft: „Habt kein Angst!“ Die Pilgerreise verändert das Land. Die Menschen spüren, dass sie nicht allein sind. Tatsächlich beginnt ein zehnjähriger, hartnäckiger Freiheitskampf der Gewerkschaft Solidarnosc. Am 6. Februar 1989 setzen sich die katholischen Gewerkschaftler mit Regierungsvertretern an einen „runden Tisch“. Das Ergebnis ist revolutionär: Es folgen im Juni die ersten freien Wahlen. Regierungschef wird ein Solidarnosckandidat, Staatspräsident wird Arbeiterführer Lech Walesa. Die Vorgänge in Polen werden in den Nachbarländern aufmerksam registriert. Es folgt Ungarn, das DDR-Flüchtlinge aufnimmt und im August 1989 erstmals ungehindert über die Grenze nach Österreich fliehen lässt. Der „Eiserne Vorhang“ wird löchrig. In der DDR findet am 4. September 1989 im Anschluss an Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche die erste Montagsdemonstration statt. Am 9. November fällt die innerdeutsche Mauer.

Der „Friedenspapst“ Benedikt XV.

Das Engagement der Päpste für den Frieden reicht noch weiter zurück: Als Pius XII. im Jahr 1939 zum Papst gewählt wird, bricht der 2. Weltkrieg aus. Pius XII. lehnt beide damals vorhandenen totalitären Systeme ab: Bolschewismus und Nationalsozialismus. „Beide sind materialistisch, antireligiös, totalitär, tyrannisch, grausam und militaristisch,“ erklärt der Vatikan. Seine Mahnungen und diplomatischen Bemühungen bleiben erfolglos. So erging es bereits Benedikt XV., der ebenfalls in einem Kriegsjahr

– am 3. September 1914 – zum Papst gewählt wird. Ein Monat zuvor war der 1. Weltkrieg ausgebrochen. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, wie grausam dieser Krieg werden würde. Vielmehr befinden sich weite Teile Europas in Kriegseuphorie. Viele Soldaten werden unter jubelnder Anteilnahme der Bevölkerung an die Front verabschiedet. Als Papst organisiert Benedikt XV. humanitäre Hilfe und unternimmt mehrere erfolglose Versuche zu Friedensverhandlungen. Die Stimmung ist gegen den „Friedenspapst“. Dennoch warnt er beharrlich vor der „grauenhaften Schlächterei“.

Fatima und die Bekehrung Russlands

Am 13. Mai 1917 erscheint in Fatima (Portugal) den Hirtenkindern Lucia, Jacinta und Francisco die Gottesmutter. Sie kündigt an: „Um (einen neuen Weltkrieg) zu verhüten, werde ich kommen, um die Weihe Russlands an mein unbeflecktes Herz … zu verlangen. Wenn man auf meine Wünsche hört, wird Russland sich bekehren und es wird Friede sein. Wenn nicht, wird es seine Irrlehren über die Welt verbreiten … “ Papst Pius XII. weiht tatsächlich am 31. Oktober 1942 in einer Radioansprache an das portugiesische Volk die ganze Welt, und zehn Jahre später besonders Russland dem Unbefleckten Herzen Mariens. Während des Konzils wird die Weihe Russlands 1964 bekräftigt. Die Seherin Lucia, die inzwischen abgeschieden im Kloster lebt, sagt später, dass die Weihe zwar gut gemeint war, aber nicht dem Willen der Gottesmutter entsprach. Das Attentat am Fatima-Tag, dem 13. Mai 1981, rüttelt Papst Johannes Paul II. auf. Am 25. März 1984, zusammen mit tausenden Bischöfen in aller Welt, bekräftigt er die feierliche Weihe der Welt. Die Auswirkungen sind enorm: Heute bekennen sich 82 Prozent der Russen zum orthodoxen Christentum, seit 1990 wurden 30.000 Kirchen neu gebaut oder wiedereröffnet, 5.000 neue Pfarreien gegründet und dreistellig neue Klöster gegründet. Problematisch: Orthodoxe Kirchen sind Nationalkirchen und deshalb traditionell staatsnah – ein Hauptgrund, warum der Moskauer Patriarch Kyrill I. den Krieg gegen die Ukraine gerechtfertigt hat. Papst Franziskus kündigte nun an, am 25. März 2022 bei einer Bußfeier im Petersdom Russland und die Ukraine dem Unbefleckten Herzen Mariens zu weihen. Die diplomatischen Erfolge der Päpste waren bescheiden. Ihre Aufrufe zum Gebet und die Weihe an Maria haben aber ungewohnt lange Friedenszeiten in Europa bewirkt.