Von Prof. Hans Mathias Kepplinger

Die Berichterstattung rund um Themen wie Corona, Klimawandel aber auch über den Krieg in der Ukraine zeigen hochaktuell, dass die Frage, was wir medial glauben können, für Zuschauer und Leser immer undurchsichtiger wird. Selbst reale Kriege werden parallel im Internet als Informationskriege geführt, auch mit falschen Bildern. Umso wichtiger ist es für jeden Einzelnen, zu erkennen, wenn Nachrichten nicht stimmen können

Falschmeldungen hat es immer gegeben. Die Deutsche Presseagentur verbreitete 1964 eine Eilmeldung über den Tod von Ministerpräsident Chruschtschow und 1983 veröffentliche der Stern gar Hitlertagebücher – Falschmeldungen infolge von Irrtümern. Der Spiegel brachte zwei teilweise erfundene Reportagen von Claas Relotius über die Welt von Rechtsextremen in den USA – Falschmeldungen als Folge gezielter Täuschungen. Während des Golfkrieges 1991 ging das Foto eines Kormorans um die Welt, der 1989 in Alaska im Öl der Exxon Valdez verendete. Kurze Zeit später brachte „stern TV“ einen Filmbericht über deutsche Ku-Klux-Klan-Anhänger, gespielt von maskierten Bekannten des Autors. Auch Fotos und Filmberichte können Falschmeldungen sein.

Bei den Beispielen handelt es sich um Einzelfälle, die man nicht verallgemeinern kann. Die meisten Nachrichten und Berichte sind richtig. Problematischer sind wiederholt irreführende Berichte in Nachrichten und Nachrichtenmagazinen, was man oft erst dann erkennt, wenn sie ihren Zweck längst erfüllt haben. Bei ARD, ZDF und RTL war 2015 fast nur von Flüchtlingen die Rede, obwohl es sich überwiegend um Migranten handelte, die nicht aus Angst um ihr Leben geflohen waren, sondern aus anderen Gründen ihre Heimat verlassen hatten. Weil Flüchtlinge unbürokratischen Schutz brauchen, hätte ein Großteil der Bevölkerung den rechtzeitigen Ausbau von Grenzkontrollen zur Feststel lung von Identitäten abgelehnt. Folglich geschah nichts und bis heute ist vielfach unbekannt, wer sie sind und woher sie kamen.

Die meisten Medien verbreiteten 2017 die Horrormeldung, Dieselabgase würden jährlich Zehntausende vorzeitige Todesfälle verursachen. Niemand wusste, was mit vorzeitig gemeint war – ein Tag, ein Monat, ein Jahr? Trotzdem häuften sich Forderungen nach Dieselfahrverboten, die auf viel Verständnis stießen. Ein Jahr später wurde bekannt, dass es sich bei den Todeszahlen um Durchschnitte von extrem streuenden Werten handelte, die man nicht wörtlich nehmen kann. Da waren die Besitzer älterer Diesel durch den Wertverfall ihrer Autos bereits erheblich geschädigt und die Produktion neuer Diesel mit langfristigen Folgen eingebrochen.

In beiden Fällen haben wohlmeinende Menschen ihr Publikum kritiklos getäuscht. Eine Voraussetzung der Durchschlagkraft von Frames1 , denn darum handelt es sich, ist ihre wiederholte Verbreitung durch meinungsbildende Medien. Wenn alle ähnlich berichten, ist besondere Skepsis angebracht. Das trifft auf viele Konflikte, Krisen und Skandale zu. Ein ähnlicher Medientenor entsteht, wenn die meisten Journalisten ähnliche Meinungen vertreten oder einigen Leitmedien folgen. Dabei besitzt das Fernsehen wegen seiner vielen Zuschauer und der Augenzeugenillusionen anhand von Bildern eine Schlüsselstellung. Die Wirkung von Frames geht oft weit über den expliziten Inhalt von Nachrichten hinaus. Dazu tragen die Mediennutzer bei, weil sie glauben, sie selbst hätten die notwendige Folgerung aus dem Geschehen gezogen. Dieser Glaube beruht oft auf Selbsttäuschungen, weil die Medien das Geschehen so dargestellt haben, dass es nur eine sachlich angemessene Folgerung gab – wie angesichts der Flüchtlinge und vorzeitigen Todesfälle. Gegen manipulative Frames schützt die kritische Wahrnehmung wiederholter Berichte über ein Ereignis oder Thema. Vorsicht bei der Anmoderation von Beiträgen – sie kann durch wertende Begriffe oder vorgreifende Interpretationen die Wahrnehmung steuern; bei der gehäuften Verwendung von Schlüsselwörtern – sie können die Sichtweise unbewusst lenken; bei Berichten über extreme Ereignisse, Erkenntnisse und Meinungen. Möglicherweise handelt es sich um Übertreibungen, die Ängste auslösen oder Mitleid hervorrufen, um Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Vorsicht bei Fotos von Politikern und anderen Akteuren. Sie können gezielt ausgewählt sein, um positive oder negative Eindrücke zu erzeugen oder die Interpretation von Wortmeldungen zu beeinflussen. Talkshows werden auch als Informationsquelle genutzt, folgen aber einer vorgegebenen Dramaturgie. Welche Botschaften vermitteln Ankündigungen und Einspieler? Welche Rolle spielen Talkmasterinnen oder -master? Wem stellen sie Hilfsfragen, wem Sachfragen; wem widersprechen sie, wem pflichten sie bei? Welche Rollen spielen die Gäste? Gibt es einen „Watschenmann“? Sind gleich viele Vertreter gegensätzlicher Positionen anwesend? Kommen sie ähnlich oft zu Wort? Wer ist unbeschwerter Kritiker, wer Verteidiger, der sich rechtfertigen muss? Wer hat am Ende Recht und warum? Lag das an der Qualität der Argumente oder der Dramaturgie?