Christenverfolgung hat zahlreiche Gesichter, eines davon gehört Hans-Jürgen Louven und seiner Familie. Im Jahr 2019 wurde er aus der Türkei ausgewiesen als unerwünschte Person. Wie ihm erging es zahlreichen Christen dort. Die Weltöffentlichkeit nimmt nur wenig davon Notiz. Er hat seine Heimat verloren, ein Land, das er liebt, in das er 1998 nach reiflicher Überlegung und guter Vorbereitung sehr bewusst aus dem Rheinland in die Provinz Muˇgla ausgewandert ist. Jenen Landstrich, in dem sich wesentlich die Geschichte des neuen Testamentes der Bibel rund um die Orte Ephesos, Hierapolis und Laodizea abspielte. Keine Frage, dieser Mann liebt die Türkei, ihre Menschen, ihre Kultur. Neugier und Wissbegierde sprechen durch alles, was man von und über ihn lesen kann. Ein freundlicher Mensch, der aber aus seinem Glauben kein Geheimnis

machen will. Im Gegenteil, er will ihn teilen und mitteilen. Und genau das ist das Problem. Er hat klare Ansichten. Über das Christentum. Über Dinge wie Abtreibung oder Euthanasie. Er ist Lebensschützer durch und durch. Ein Mann, der gewohnt ist, aufrecht zu seinem Glauben zu stehen, auch dort, wo man es nicht hören will. Er hält es mit jenem Wort, das Paulus im Gefängnis verheißen hatte: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren.“ (Philipper 4,7).

Christenverfolgung verbindet man in unseren Breitengraden gedanklich eher mit fernen Ländern. Das betrifft uns doch nicht, oder? Verwöhnt von einem Land, in dem Religionsfreiheit durch die Verfassung verbrieft ist und tatsächlich auch durchgesetzt wird, ist es in Deutschland einfach, Christ zu sein. Man wird eher müde belächelt vom säkularen Teil der Gesellschaft. Manchen ist ihr Glaube gar peinlich, aber verfolgt wird hier niemand. Offiziell herrscht auch in der Türkei Religionsfreiheit und selbst Mission ist explizit erlaubt. Theoretisch. Louven besitzt sogar das Schreiben des Bürgermeisteramtes, das ihm bestätigt: „Wie es ja auch in der türkischen Verfassung durch die Trennung von Staat und Religion gewährleistet ist, versichern wir Ihnen, dass sowohl die Beschäftigten Ihrer Gesellschaft als auch Ihre Gäste sich gemäß ihres Glaubens frei verhalten und bewegen können“.

Dass es dort dennoch offiziell keine christlichen Kirchen gibt, nimmt auch die deutsche Politik hin. Bis heute will das Auswärtige Amt auch im „Fall Louven“ keine Stellung beziehen, obwohl er doch Deutscher ist und man ihm in der Türkei gerade alles nimmt, was er als Lebenswerk aufgebaut hat. Liegt es daran, dass er Christ ist? Für inhaftierte Journalisten und Menschenrechtsaktivisten lässt sich in Deutschland sehr viel mehr politische Agitation und auch Medienrummel organisieren. Ein evangelikaler Christ, der in der Türkei missioniert, zieht da den Kürzeren. Ein Ungleichgewicht, das selbst in jenen Zeiten, als unsere Politiker noch ernsthaft über einen Beitritt der Türkei zur EU diskutierten, bereit waren hinzunehmen. Spätestens mit der Machtübernahme durch den türkischen Präsidenten Recep Erdoˇgan sollte es auch den letzten Schönfärbern im Westen klar geworden sein, dass ein freundliches Nebeneinander von Christen und Muslimen in der Türkei von staatlicher Seite nicht gewollt ist. Obwohl es menschlich bereits seit sehr vielen Jahren gelingt, dort wo es in der Türkei zu Begegnung unter Gläubigen kommt. Etwas, das auch Louven, seine Frau und seine Tochter Hanna erleben durften. In seinem Buch „Unerwünscht im Orient“ ist im Titel also explizit nicht das orientalische Volk, sondern die Staatsmacht gemeint, die ihn aus seiner Wahlheimat vertrieb. Von den Menschen vor Ort, auch von den Muslimen, erfährt die Familie hingegen auch in angespannter Situation Unterstützung und Hilfe. Die Geschichte seiner Flucht vor drohender Verhaftung liest sich entsprechend streckenweise wie ein Krimi.

Hans-Jürgen Louven hat nie den wasserdichten Beweis in den Händen halten können, dass er wegen seines Glaubens aus seiner Wahlheimat Türkei vertrieben wurde. Man könnte auch sagen, der türkische Staat habe hier klug agiert, indem er schlicht keine konkrete Begründung lieferte. „Andere Gründe“ war in seinen Ausweispapieren angekreuzt, als man ihm noch zehn Tage Frist gab, um das Land zu verlassen, obwohl er sich nie etwas hatte zuschulden kommen lassen. Ganz im Gegenteil, das Land hat von ihm und seinem Einsatz profitiert. Seit Jahrzehnten organisiert er touristische Reisen für Christen in die Türkei. Er hat zwei Gästehäuser gebaut, Steuern bezahlt, Menschen für die Türkei und ihr kulturelles Erbe begeistert. Wäre er türkischer Migrant in Deutschland, der das als Lebenswerk vorweisen könnte, man würde ihm wahrscheinlich das Bundesverdienstkreuz für hervorragende völkerverbindende Integrationsarbeit verleihen. Christ sein ist für Louven aber auch, die Hoffnung nicht aufzugeben. Das Buch, das er über seine Erlebnisse geschrieben hat, mag ein Ende besitzen, seine Geschichte ist aber ganz sicher noch nicht zu Ende erzählt.